Akademisches
Strandgut
A: "Neulich in der Pommesbude beim Griechen lief
der Fernseher. Da kam ein Bericht über den Wirtschaftsstandort
Deutschland. Der Wirtschaftsminister erklärte die 90er Jahre zum
Jahrzehnt der Dienstleistung. Beispiele waren: das Austeilen von Parkscheinen,
das Bewachen von Bildern, das Säubern der Grünanlagen von
Bierdosen. Kunst steht immer im direkten Bezug zu den Wirtschaftsverhältnissen.
Trägt das jetzt zu unserer narzißtischen Kränkung bei?
A: "Kommt drauf an, für wen man in diesen Verhältnissen
was machen möchte."
Es geht um ein Stimmungsbild eines ganz bestimmten künstlerischen
Umfeldes, also weder um der Versuch eines Resümees noch um den Anspruch
einer Gesamtdarstellung. Es sollen eher Entwicklungen, Zusammenhänge
künstlerischer Praktiken und Selbstverständnisse aufgezeichnet
werden, die jetzt eine Zäsur erfahren, weil sich die Konstellationen
der Arbeitsbedingungen verändert und das Betriebsklima verschärft
hat.
Bei den Figuren in diesem Bild handelt es sich um eine Generation von
Künstlern, die in den letzten 10 Jahren aus den Kunsthochschulen
gekommen ist und deren Glauben an die wirtschaftlich einträgliche
und gesellschaftlich wichtige Position von Kunst ins Wanken gekommen ist.
Den Absolventen von Kunsthochschulen geht es irgendwann ums Überleben.
Aber die Ausbildung ist von diesem Kontext getrennt, und die Thematisierung
der ökonomischen Überlebensbedingungen und der Öffentlichkeitsbildung
wird vermieden. Die Professoren hüllen sich in bezug auf Geld, woher
und von wem es kommt, in die schweigenden Gewänder der Privatwirtschaft.
Fast alle Studenten müssen erst nach dem Ende ihres Kunststudiums
lernen, wie man aus daraus einen Beruf macht. Jeder kennt die 2%, die
davon leben; aber warum sollen 98% klein beigeben, wenn sie die Hoffnung
haben, irgendwann zu den 2% zu gehören.
Akademisches Strandgut: Das könnte also auch eine Art Solidargemeinschaft
sein, die sich aus dem Gefühl des Ausgeliefert-Seins entwickelt,
ein notwendiges soziales Netz unter den Künstlern, das sich trotz
oder gerade wegen der wirtschaftlichen Krise bildet, um sich gegenseitig
zu bestätigen, sich am eigenen Zopf aus dem Sumpf zu ziehen. Sobald
man merkt, daß niemand anderes das für einen tut, kann akademisches
Strandgut trotz oder gerade wegen der unsicheren Ausgangsposition eine
Arbeitsweise und ein Selbstverständnis entwickeln, das einen Gegenentwurf
zu der herkömmlichen Kunst- und Vermittlungspraxis bietet. Das zumindest
ist die Perspektive, die hier im Text versucht wird, als Ausblick aus
dem Dilemma der Kunstausbildung und der nachfolgenden beruflichen Situation.
Abgrenzungen
Das Ausbildungskonzept von Kunstakademien besteht zunächst aus Abgrenzungen:
Eine Akademie will weder praxisorientierte Fachhochschule noch eine wissenschaftliche
Uni sein. In NRW z.B. gliederte das Hochschulrahmengesetz die Akademie
erst 1987 in das Uni-System ein.
Seit den 70ern erleben Kunstakademien wie alle anderen Hochschulbereiche
einen Studentenboom. Man merkt also, daß man nicht alleine ist und
zudem ist man mit dem Überfluß konfrontiert, den die Geschichte
der klassischen Moderne und neueren Avantgarde für uns darstellt.
Obwohl man in der Akademie möglichst selbstständiges künstlerisches
Arbeiten erwartet, verliert sich die anfängliche Entdecker- und Experimentierfreude
allmählich im mehr oder minder freiwilligen Einklinken in die Bedingungen
des Kunstlehrbetriebs. Ein Dilemma, vor dem man als Akademiestudent steht,
ist: daß das, was man macht, meist längst schon auf irgendeine
Art und Weise von anderen Künstlern vorformuliert ist. Dieser Leistungsdruck
wirkt sich etwas lähmend auf die ursprünglich Neugierde aus,
mit der man in eine Kunsthochschule geht: vieles ausprobieren, um es zu
verstehen, den Spaß zu behalten oder hinter sich zu bringen. In
Kunstakademien - und das nicht in den Werkstätten oder direkt vom
Professor, sondern in einem diffusen Beziehungsgeflecht zwischen Freunden,
Eröffnungen und Kunstzeitschriften - lernt man, wie man kalkuliert,
aufgreift, abweicht, komplexe Diskurse benutzt, ohne sich von ihnen einengen
zu lassen, die Arbeit mit Anführungszeichen zu versehen, aber dennoch
obssesiv zu sein. Es geht also um millimetergenauen Abgrenzungen im Bereich
der "Moderne".
Diese Suche nach neuen Ansätzen oder Innovationen bewegt sich in
dem engen Rahmen kunstgeschichtlicher Festschreibungen, und die Frage,
wie man sich etwas von der aktuellen Realität draußen aneignen
kann, tritt immer mehr in den Hintergrund. Man würde dann natürlich
mit der Menge von alltäglicher Kreativität (Werbung, Design,
Sub- und Randkulturen, Hobbykunst, Volkshochschule, Esoterik, Plattencover,
Comics etc.) konfrontiert, vor der das Akademiesystem sich abzuschirmen
versucht oder auf die es früher bestenfalls mit einer Erweiterung
der klassischen Kategorien Zeichnung, Malerei, Skulptur, reagiert hat:
Videos, Ready mades, Landart, Performance usw. Was man also bei seinem
Eintritt von "der Wirklichkeit", d.h. "nicht-künstlerischen
Themen", in die Akademie getragen hat, wird dort künstlerisch
verpuppt, anstatt umgekehrt die Akademie zu verpoppen. Das hört sich
an wie eine recht hermetische Geschichte:
Akademie
Kunsthochschulen bieten optimale Arbeitsbedingungen: Atelier, Werkstätten
und Kollegen, die das Feedback liefern. Das Studium selbst ist die günstigste
künstlerische Existenz- und Arbeitsgrundlage. Danach stürzt
mit dem Verlust des Studentenstatus und den Mehrkosten für Sozial-,
Kranken- und Rentenversicherung der Stundenlohn des Jobs von 15 auf 9
DM, ein Acht-Stunden-Job-All-Tag droht. Wenn man sich jetzt nicht mit
einem anderen Job identifiziert oder seine künstlerische Tätigkeit
in anderen Berufszweigen anwenden kann, also doch als Künstler von
und mit seiner Tätigkeit leben will, dann trifft die Frage hart,
die im Studium vermieden wurde: Wie kann ich meine Sachen an den Mann
bringen?
In diesem Übergangsstadium bleibt für eine Ursache-Wir-kungs-Forschung
in bezug auf die eigene Situation zunächst keine Zeit und auch keine
Veranlassung. Denn man wartet auf den Erfolg, der zu der Versprechungen
des Berufes gehört. Und es scheint sogar, als würde ein eigenverantwortliches
Existenzmanagement oder gar das Thematisieren dieser Problematik in der
"Künstlerischen Arbeit" den Erfolg bedrohen, als könnte
nur das "existentielle Ausgesetztsein" den Wunsch auch zur Erfüllung
treiben.
Rückblick
Will man das Phänomen von Kunstausbildung und "dem Leben danach"
genauer verstehen, ist es interessant, davon auszugehen, daß die
sogenannten 70er und 80er Jahre durchaus nicht so antipodisch waren, wie
viele annahmen, daß sich beide vielmehr bedingten und auch personell
heute noch in den Entscheidungsträgern des Kunstsystems weiterwirken.
Seit den 70ern entstanden eine ganze Reihe von Kreativberufen zeitgleich
zu der Ausbildung eines kreativen Freizeitbereiches. Will man überhaupt
von Stimmungslagen oder Meinungen, die in einer Zeit vorherrschend sind,
sprechen, so könnte man hier formulieren: Ob ich Design oder Werbung
mache oder freie Kunst, das alles dient zugleich der persönliche
Emanzipation und der Verschönerung gesellschaftlicher Prozesse. Die
berufliche Ausdifferenzierung von "Kreativität" führte
zu Abgrenzungschwierigkeiten der Kunsthochschulen und dessen, was dort
gelehrt werden soll. Das hatte in den 80ern eine erneut traditionellere
Auffassung der Kunstproduktion zur Folge - diesmal mit Reflexion auf die
wirtschaftlichen Gegebenheiten - als Produkt und "Warenfetisch".
Das wird von den Rezipienten unterschiedlich wahrgenommen: kritisch, zynisch,
ironisch oder affirmativ - als Kommentar zur weitläufigen Etablierung
von Kunst. Die Produzenten bleiben wie Buster Keaton selbst in seinen
kommödiantistischen Filmsituationen: todernst.
Die Assimilation von Kunst am Warencharakter ignorierte jedoch die marktwirtschaftlichen
Gegebenheiten der BRD und blieb - selbst bei vermehrter Nachfrage - in
Produktionsromantizismen des 19. Jhd. stecken. Möglicherweise ist
diese Assimilation als Reaktion auf die Selbstgefälligkeit einer
überkommenen Auffassung von Kunst als "Erziehung des Menschengeschlechtes"
zu interpretieren.
Die Firmen im Konjunkturaufschwung haben in der Kunst ein Potential gefunden,
sich mit dem Image der "Kreativität" aufzuladen. Industrielle
als Sammler umgeben sich öffentlich mit der Kunst als eine Art Frischzellenkur.
Der Industrielle kauft, der Künstler spiegelt ihm zurück: "Kunst
als Ware", der Industrielle als Vorbild. Der Künstler macht
jetzt auch einen Betrieb auf: Produktionsästhetik - 100 Madonnen,
1000 Vasen,10000 Surrogate ...
In dieser Atmosphäre der Wohlstandes und der gut-laufenden Geschäfte
schien Gesellschaft, ein kybernetisches System zu sein, das man nur zu
durchschauen braucht, um Karriere zu machen. Von dieser Art öffentlicher
Präsenz beeindruckt, wuchs die Anzahl der Kunststudenten kontinuierlich
an. Möglicherweise vermuteten die Studierenden Mitte der 80er im
Kunststudium eine geradlinige Karriere. Einer Inflationierung des gesamten
Kunstsystems in alle Richtungen stand nichts mehr im Wege (Museumsboom,
Spitzenpreise, Besucherrekorde, Studentenwachstum, Galerienschwemme ...).
Verdrängt aber wurde die Theorie vom tendenziellen Fall der Profitrate
bei steigender Konkurrenz.
Die kulturpolitische Forderung der 70er Jahre nach einer 'Kultur für
alle', hat sich in den 80ern zu einer Auffassung von Kunst als Gipfel
des "Life-Styls" innerhalb einer luxeriösen Warenwelt gewandelt.
Die neuen Einkaufspassagen und Warenhäusern orientieren sich in ihrer
Warenpräsentation an den Passagen des fin de siecle. Zu den wichtigsten
verlegerischen Ereignissen der 80er Jahre gehört das Passagenwerk
von Benjamin, das eben diesen Umgang mit Warenwelt reflektiert und damit
eine Parallele zu der postmodernen Shopping-Mall bildet.
Mit der anbrechenden Rezes-sion ist der Flaneur dazu verurteilt eine Warenwelt
zu betrachten, die er sich immer weniger leisten kann. Und in den neuen
Museen steht er vor einem Inventar, zu dem er kaum mehr Bezug findet,
denn sie betrifft nicht seine gewandelte Lebenssituation.
Fraktale
Ob nun die aktuelle Kunstlandschaft durch allzu große Spendierhosen
unglaubwürdig geworden ist, durch Rezession zusammengeschrumpft,
zu vielfältig, zu unverbindlich, zu sehr von den Vorlieben der einzelnen
Entscheidungsträger geprägt ist: Die Ernüchterungen der
Künstler und ihrer Vermittler sind anscheinend zu groß, als
daß sich die vielen Kunstszenen noch zu einem homogenen Gebilde
konsolidieren ließen.
Die Forderung von Kunst als Kommunikationsform in den 70ern scheint nun
in den 90ern zu einer komplexen Form der Sozialisation zu werden. Von
Künstlern, Vermittlern, Galeristen, Museumsleitern werden viele Vorlieben
vertreten, aber es scheint keinen Anspruch zu geben, der über die
diversen Einzelinteressen hinausweist.
Bei dieser fortschreitende Fraktalisierung in immer kleinere Gruppierungen
streiten sich die vielen Kunstszenen, die sich nicht mehr zu einem homogenen
Gebilde konsolidieren lassen, um eine immer kleiner werdende Torte, Öffentlichkeit
und Finanzen. Das Interesse und die finanzielle Zuwendung der BRD-Öffentlichkeit
hat sich zum Aufschwung Ost und zur Nationalstaatenbildung verlagert.
Wenn Kunst von offizieller Seite aus gefördert wird, so im Zusammenhang
mit diesen Interessen. Von den vielen Interessens-gemeinschaften, Szenen
und Clubs werden diejenigen mit der Vorliebe zum Restaurativen bevorzugt
und prägen somit das, was öffentlich als aktuelle Kunst präsent
wird. Die "Krise des Kunstmarktes" wird von konservativen Kreisen
begrüßt, weil "Qualität wieder siegt". Das macht
Experimente marginal und verschweigt die Gegenentwürfe sowohl im
aktuellen als auch im geschichtlichen Kontext.
Jenseits dieser Ebene, die auswählt und beurteilt, müssten eigentlich
alle Gruppierungen/ Clubs gleichwertig nebeneinander existieren - als
Folge jener Fraktalisierung, die sich bei der wachsenden Zahl von Kunstbetriebsteilnehmern
aller Sparten (Künstler, Kunstgeschichtler, Galeristen etc.), und
ebenso der Differenzierung von Kreativität in viele Bereiche (Werbung,
Film, Architektur, Stadtplanung...) einstellt. Auch wenn dies relativistisch
klingt, dann könnte dieser Relativismus jedoch aufmerksam darauf
machen, welche Akteure im Spiel sich welche Beurteilungskompetenzen anmaßen
und wie wenig gerechtfertigt diese Kompetenzanmaßungen sind, d.h.,
Vermittlungspolitik wird auf sich selbst zurückgeworfen, ist ihr
eigener Zweck ohne legitimierendes Trägermaterial. Umgekehrt könnte
sich nun herausstellen, daß jede Art von künstlerischer Arbeit
an ihrem vermittelnden Grad gemessen wird, oder daß Vermittler selbst
nun den Rang des genialen, kreativen Komponisten der Fraktale einnehmen,
die sie umgeben.
Das läßt die Künstler zunächst in einer ohnmächtigen
Position erscheinen, die sich vielleicht dann ändert, wenn sie sich
über die Wirkungsweise von Vermittlungsstrukturen bewußt werden
und sich selbst in verschiedene Formen von Vermittlung einklinken und
ihre eigenen Themen, Strukturen, Hintergründe und Öffentlichkeiten
mitschaffen. Das bedeutet ein grundsätzliches Überdenken der
bisherigen ästhetischen Maßstäbe und der damit einhergehenden
behaupteten künstlerischen Autonomie (der große kollektive
Merz-Bau, oder - ein An-satz wie bei Malerei 2000 in Hamburg - die große
genossenschaftliche Ma-lereiausstellung): So löst sich die Inflationierung
von Kunst möglicherweise tatsächlich auf, wenn sie sich jenseits
des herkömmlichen Vermittlungssystems in selbstaquirierte Umfelder
anwendet und darin eine Überprüfbarkeit und eine Deckung außerhalb
sogenannter Autonomie findet. Diese Arbeit würde eine 'konkrete Öffentlichkeit'
ansprechen, aber dennoch nicht auf eine öffentliche Berichtsform
verzichten.
Als Beispiele für diese Arbeitsmethoden nenne ich hier: Dan Grahams
Videos mit Publikumsbeteiligung, Steven Willats kybernetische Wohnviertelprojekte,
John Ahearns Figurenabgüsse aus und mit seinem Kiez, Hans-Peter Feldmanns
Laden und seine Spielzeugfirmen, Tim Rollins und John Ahearn mit ihren
Läden in der Bronx, Group Materials Arbeit zu Democracy unter Einbeziehung
des Publikums in Arbeitskreisen, Warhols factory, Matta Clarks Eingriffe,
Cheri Samba, dessen Arbeit von der Gestaltung von Bussen bis zu politischen
Plakaten reicht, den Verkauf von Schneebällen von David Hammons.
Indirekte Traditionslinien und geschichtliche Parallelen tun sich zur
Genüge auf: Künstlerbünde und -vereine, Sezessionen, Genossenschaften
bilden sich immer dann, wenn vorherrschende staatliche Ideologien bis
zur Unerträglichkeit unvereinbar mit der eigenen Haltung werden und
das herkömmliche Kunstvermittlungssystem zu unflexibel, zu ängstlich
oder zu staatstragend geworden ist, um sich auf andere Ansätze einzulassen
(Dada, Surrealismus, Bauhaus etc.).
So könnte man auch jetzt annehmen, daß die Krise des Marktes
nicht durch die Rezession verursacht wurde, sondern strukturell bedingt
ist und daß das bisherige Vermittlungsystem - im Interesse des eigenen
Statuserhaltes - zu unflexibel geworden ist, um auf die veränderten
Künstler- wie Publikumsinteressen einzugehen
Strandgut jetzt
Die bisher bekannteren Modelle der Produzentengalerie, Atelierausstellung
oder der Ausstellung in der Fabrik wollten sich von Institutionen und
Galerien entweder abgrenzen oder diese imitieren. Aber durch die Präsentation
des Objekts als Produkt im Mittelpunkt dieser Ausstellungen und Projekte
wurden nur die Bedingungen des Marktes affirmiert.
Anfang der 90er, vor dem Hintergrund einer zunehmend ausgrenzenden, subventionsarmen
Kulturpolitik, begannen einige Künstler mit
Arbeitsweisen, die sich zwischen einer Kritik von Institutionen und der
Organisation eigener Zusammenhänge bewegten. Aktuelles Interesse
an einem gesellschaftlichen und künstlerischen Austausch, notwendige
Themen und persönliche Stellungnahmen dazu,'wo einen der Schuh drückt',
wurden öffentlich und meist als Gruppe formuliert, ohne diese Äußerungen
direkt "verkunsten" zu müssen oder zu wollen. Einige Beispiele
hierfür aus den Jahren 90 - 94:
Ausstellungen und Räume ( z.B.: "Sei dabei", "Malerei
2000", "Makroville", Ringclub in Düsseldorf, Friesenwall
120 in Köln, Poster Studio in London, Four Walls in Brooklyn), eigene
Fanzines (Dank und Neid aus Hamburg, ANYP aus München und Berlin,
GWARRT aus Stuttgart, Artfan aus Wien), Ausschreibung eigener Preise (Sammlung
Brinkmann, Düsseldorf), Nutzung der Möglichkeiten von Kommunikationstechnologien/
Mailboxen (u.a. das Netzwerk THE THING, New York, Düsseldorf, Köln,
Hamburg), Diskursthemen Gentechnologie und Gender (Minimal Club in München
und Berlin, Büro Bert ehem. Düsseldorf), Informationsdienst
(ein Archiv zeitgenössischer Künstlerinnen in Stuttgart), die
Verbindung Medien/ Film/ Musik (Botschaft e.V.Berlin), die Organisation
gegen verkrustete Akademiestrukturen (Freie Klasse Berlin, Asta der Akademie
Düsseldorf in den Semestern 92 / 93), die Zusammenarbeit von Bands,
Künstlern und Textproduzenten mit politischen Gruppierungen und Antifas
(Wohlfartsausschüsse in München, Berlin, Hamburg, Köln
und Düsseldorf), eigene Kneipen und Treffpunkte (Frisör und
Kumpelnest 3000 in Berlin, WP8 in Düsseldorf, Pudelsclub und Daniela
Bar in Hamburg und Artclub in Wien).
Diese Organisationen sind häufig miteinander vernetzt und haben sich
gemeinsam zu verschiedenen Anlässen präsentiert.
Die Aufmerksamkeit derjenigen, die überall eine neue Bewegung/ Richtung
vermuten, ohne die spezifischen Inhalte und Dringlichkeiten zu begreifen,
ist bekannt, aber es ist immer noch merkwürdig, wie schnell dies
als neuer "Trend" der gegenseitigen Einladungen und Vorträge,
der Infobörsen und Archive und der demonstrierten Transparenz von
Kuratoren, Galerien und krägen Institutionsleitern in den üblichen
Rahmen übernommen wird. Die Presse rezipierte zum Beispiel das Rahmenprogramm
der Unfair 92 wesentlich lebhafter als Unfair und Artfair zusammen (weshalb
es 1993 kein Rahmenprogramm mehr gab,1994 Artfair die Unfair endgültig
einkauft hat?).
Aus diesen Einladungen und Präsentationen zog das Fanzine DANK die
Konsequenz und gründete INTERNETT, ein Zusammenschluß von Künstlern,
die ihre Tätigkeit in Angebotsform auf eigene ökonomische Bertriebsbasis
stellen. INTERNETT will in der Wohnung, im Aussenraum und in Institutionen
bezahlte Arbeit liefern und damit Bedürfnisse, Fragen und Projektionen
direkt von Kunden erfahren. Andere Gruppierungen erweitern ihre Ausstellungspraxis
in urbanen Zusammenhängen und politischen Themen und gestalten zunächst
mehr und mehr die mediale Öffentlichkeit.
Deswegen ist gerade diese Situation - Opposition, eingekauft und nachgeahmt
werden - eine Chance, wenn man sich bewußt wird, wie die Strukturen
funktionieren und wer von wem profitiert. Auch das könnte ein grundsätzliches
Überdenken des Selbstverständnisses und eine Verschiebung der
Bewertungskriterien nach sich ziehen - was will ich davon haben, für
was will ich mich einsetzen. Dabei hängt eine etwaige Vereinnahmung
davon ab, wie renitent der eigene Kunstbegriff ist, wie sozial seine Umgangsform,
wie notwendig sein Gebrauch und wie glaubwürdig seine Überprüfbarkeit.
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